"Wer achtsam lebt, lebt gesünder und länger" (Ellen Langer)
22.03.2024 | Kategorie
Die „Mutter der positiven Psychologie“ Ellen Langer hat als Sozialpsychologin 40 Jahre die Auswirkungen von Achtsamkeit im Alltag erforscht und ist sich sicher: wer achtsam lebt, lebt gesünder und länger. In ihrem aktuellen Buch „The Mindful Body“ (auch der deutsche Titel) hat sie ihre Ansicht weiterentwickelt.
Sie definiert Achtsamkeit im Alltag (unabhängig von Meditation): „ein einfacher Prozess, Dinge aktiv wahrzunehmen. Wenn wir achtsam sind, bemerken wird Dinge, die uns vorher nicht aufgefallen sind. Wir stellen fest, dass wir die Dinge, die wir zu kennen glaubten, doch nicht so gut kennen, wie wir dachten. Alles wird auf eine neue Weise interessant und potenziell nützlich.“ (aus der Einleitung, S.XIII) „Das Erkennen von Unterschieden ist die Essenz der Achtsamkeit.“(215)
Folgende positiven Wirkungen auf die Gesundheit sind gesichert:
- Achtsamkeit führt zu weniger Stress, schützt vor Burnout. Zur Achtsamkeit gehört, alles erst einmal so zu akzeptieren, wie es ist, und zu lernen, die eigene Bewertung und Reaktion darauf zu unterscheiden. Das führt zu mehr Gelassenheit.
- Achtsamkeit ermöglicht eine realistische Wahrnehmung der Umwelt und führt zu geschickteren Entscheidungen. Unser Leben hat weniger Turbulenzen.
- Aufmerksamkeit für die Variabilität von Symptomen verbessert chronische Krankheiten wie Parkinson, Multiple Sklerose und Chronische Schmerzen.
- Alles ist in Bewegung und Veränderung. Eine „chronische Krankheit“ ist nicht unveränderlich, sondern jede Minute, jeden Tag anders. Wer seine Aufmerksamkeit wach auf die Veränderungen richtet, erkennt neue Möglichkeiten.
- Wir erhalten mehr Kontrolle über unser Leben. Wir erfahren, dass wir immer die Wahl haben, wie wir auf innere oder äußere Anforderungen reagieren.
- Wer erhöhen unser Selbstwirksamkeit – eine Grundlage für eine stabile psychische Gesundheit.
Ellen Langer vertritt eine „Psychologie der Möglichkeiten“: wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Veränderungen richte, die ich wahrnehme und die ich selbst bewirke, ergeben sich ganz neue Perspektiven – ein achtsamer Optimismus für alle Lebenslagen.
Ihre berühmtesten Studien:
In Seniorenheimen leben diejenigen Personen länger, die mehr Kontrolle über ihr Leben erhalten, z.B. entscheiden können, wann sie ihren Besuch empfangen wollen oder Aufgaben wie die Pflege der Blumen übernehmen.
„Conterclockwise“: ältere Männer wurden in eine Umgebung versetzt, die 20 Jahre zurücklag: die alte Kleidung, die alten Möbel, die alten Zeitungen, Fernsehprogramm etc., und sie mussten z.B. wie früher ihr Gepäck selbst die Treppe hochbringen. Mit der Zeitmaschine 20 Jahre zurück. Das Ergebnis nach 1 Woche: Gedächtnis, kognitive Funktionen, Sehkraft, Beweglichkeit, Kraft, Haut-Straffe – alles deutlich gebessert!
Fazit: wie wir im Alter werden, hängt ganz wesentlich von unseren Konzepten ab!
Die Ergebnisse wurde kürzlich bei ähnlich angelegten Studie in Italien bestätigt.
„Housewife-Study“: Hotelangestellte Putzfrauen wurden darüber informiert, was das nationale Fitness-Programm empfiehlt, um gesund zu bleiben. Die eine Hälfte erhielt die Information, dass ihre tägliche Arbeit genau diese Bedingungen erfüllt, die andere Hälfte nicht. Ergebnis nach einigen Wochen: die informierte Hälfte hatte ihr Gewicht reduziert, besseren Body-Mass-Index, geringeren Blutdruck, bessere Blutwerte. Titel der Studie: „Mindset Matters“ (es kommt auf unsere Einstellungen/Glaubenssätze an).
Dass im Alter das Gedächtnis nachlässt, ist kein Naturgesetz! Ellen Langer geht davon aus, dass jedes Verhalten für die Person sinnvolle Gründe hat. Für ältere Menschen sind Neuigkeiten oft weniger interessant, sie werden kaum registriert – können also auch nicht behalten werden. Wache Aufmerksamkeit und Interesse für die Umwelt kann unser Gedächtnis jung halten.
Unsere Konzepte entscheiden sehr häufig über unsere Fähigkeiten:
- wenn in den Standard-Sehtests die Reihenfolge der Reihen vertauscht wird, d.h. die kleinsten Zahlen zuerst, verbesserte sich die Leistung. Wir können mehr, als wir denken!
- wer (in einer Studie) gesagt bekommt, er habe ein Gen, das zu schnellerer Ermüdung beitragen könne, hat bei körperliche Belastung eine geringere Ausdauer, schlechtere Lungenkapazität, schlechteren Stoffwechsel.
Die positive Nachricht: wenn wir wissen, wie stark wir unsere Fähigkeiten mental beeinflussen, können wir uns willentlich verändern, wenn dies zu unserem Vorteil ist.
Ellen Langer plädiert für einen Medizin, in der alle Beteiligten mehr auf die aktive Mitwirkung der Patienten achten, so dass sie vollwertige Partner sind. „Wenn wir gefragt werden: ‚Wie würde sich eine Utopie der Achtsamkeit anfühlen?‘, dann ist es vielleicht am wichtigsten, dass wir die positiven Auswirkungen der Fähigkeit erfahren, unsere Meinung zu ändern, Optionen zu schaffen und zwischen ihnen zu entscheiden sowie unser Leben unter eigener Kontrolle zu leben.“(227)
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